Politik

Wahlen bedeuten in der Türkei nichts mehr

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Eine Wahl wird annulliert, weil Präsident Erdogan das Ergebnis nicht passt. Das ist ein fatales Signal – und reicht weit über Istanbul hinaus. Ein Kommentar.

Die Bedeutung der türkischen Wahlkommission, die Oberbürgermeisterwahl in Istanbul zu annullieren und eine Neuwahl anzusetzen, reicht weit über die Grenzen der Bosporus-Metropole hinaus. Die Wahl wird nur aus einem einzigen Grund wiederholt: weil die Regierungspartei AKP von Präsident Erdogan im ersten Anlauf gegen die Opposition verloren hatte. Mit Hilfe der Neuwahl will sich die AKP jetzt doch noch die Macht in der größten Stadt des Landes sichern. Damit verabschiedet sich die Türkei von wichtigen Grundsätzen der Demokratie: freie Wahlen und Anerkennung des Wählerwillens.

Das heißt nicht, dass bisher alles in Ordnung gewesen wäre. Schritt für Schritt hatte die Erdogan-Regierung in den vergangenen Jahren wichtige Institutionen unter ihre Kontrolle gebracht, die in einer Demokratie unabhängig von den Machthabern sein sollten. So wurden Justiz und Medien auf Linie gebracht, das Parlament wurde entmachtet, gewählte Politiker wurden ins Gefängnis gesteckt, zuletzt wurde neugewählten kurdischen Bürgermeistern das Amt verweigert.


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Im Jahr 2015 ließ Erdogan schon einmal eine Parlamentswahl wiederholen, weil ihm das Ergebnis nicht passte. Aber damals zweifelte er das Wählervotum an sich nicht an, er setzte lediglich alle Hebel in Bewegung, um die Türken erneut zur Urne rufen zu können.

Mit der Istanbuler Entscheidung überschreitet die Türkei jedoch den Rubikon. Der Opposition wird ein von der Wahlkommission bereits festgestellter Wahlsieg aberkannt, und zwar auf der Basis völlig absurder Argumente der AKP. Das bedeutet, dass ab sofort auch die Wahlkommission als Arm der Regierung gelten muss. Wenn die friedliche Übergabe der Macht in der größten Stadt des Landes nicht mehr funktioniert, kann von freien Wahlen keine Rede mehr sein. Der politische Wettbewerb wird abgewürgt.

Das ist nicht nur für die türkische Innenpolitik eine Katastrophe. Auch die Wirtschaftskrise dürfte sich nun verschärfen, weil die wachsende Willkür die Investoren verschreckt.

Außenpolitisch bricht ebenfalls eine neue Zeitrechnung an. Die Türkei kann nicht mehr als Demokratie gelten. Der Westen muss sein Verhältnis zu Ankara überdenken.

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