Politik

Wovon die Wahl zur EU-Kommissionschefin abhängt

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Bekommt von der Leyen am Dienstag im Europaparlament eine Mehrheit? Entscheidend sind die Abweichler bei Sozialdemokraten und Liberalen. Ein Überblick.

David-Maria Sassoli, Präsident des Europaparlaments, mit Ursula von der Leyen

Am Dienstagabend, um 18 Uhr, stimmen die Abgeordneten im Europaparlament in Straßburg darüber ab, ob Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin wird. Die SPD hat schon angekündigt, dass sie gegen die deutsche Kandidatin stimmen wolle, ebenso die Grünen. Entsprechend wird es knapp für von der Leyen.

Wenn es zu viele Abweichler bei Liberalen und Sozialdemokraten gibt, könnte von der Leyen nur mithilfe des rechtskonservativen Lagers gewählt werden, zum Beispiel aus Osteuropa oder Italien. Von der Leyen wäre zwar auch dann gewählt, es wäre aber ein Fehlstart und eine Bürde.

Für die Verteidigungsministerin müssten mindestens 374 der 747 Abgeordneten stimmen. Grüne und Linke haben bereits gesagt, dass sie mit Nein stimmen werden. Die europäische Volkspartei (EVP), zu der CDU/CSU gehören, hat 182 Sitze – die Stimmen gelten als sicher. Die Liberalen haben 108 Sitze, die Sozialdemokraten 153 Sitze. Insgesamt sind das bei EVP, Liberalen und Sozialdemokraten 443 Stimmen, eine klare Mehrheit.

Die 16 SPD-Abgeordneten haben aber ihr Nein schon mehrfach angekündigt. Intern wird in der Fraktion der Sozialdemokraten mit bis zu 65 Nein-Stimmen gerechnet. Wenn es wie erwartet auch Abweichler bei den Liberalen gibt, könnte es nur mithilfe anderer Lager reichen, etwa aus der EKR-Fraktion (61 Sitze), in der Parteien wie die rechtsnationale polnische Regierungspartei PiS sitzen.

Damit werden Stimmen scharfer EU-Kritiker aus Osteuropa für von der Leyen womöglich zum Zünglein an der Waage – zugleich könnte diese Unterstützung auch helfen, das Verhältnis zwischen Brüssel, Warschau und Budapest wieder etwas zu entkrampfen.

Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto betonte, trotz harten Streits in der Flüchtlingspolitik würden die Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz für die deutsche Kandidatin stimmen. Von der Leyen respektiere die Mitgliedsstaaten, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Zugleich drohte er mit neuen Konflikten: „Wir werden die EU künftig noch stärker dazu drängen, die Migration in die EU zu stoppen.“

Druck auf SPD wächst

Angesichts dieser drohenden Zitterpartie wächst der Druck auf die Sozialdemokraten, von der Leyen als EU-Kommissionschefin nicht zu torpedieren. Die Sozialdemokraten hätten sich in eine Sackgasse manövriert, sagte der renommierte Historiker Heinrich August Winkler (80) dem Tagesspiegel.

„Das ist für die deutsche Sozialdemokratie in hohem Maße gefährlich. Es ist höchste Zeit, sich zu korrigieren.“ Winkler, vor knapp 60 Jahren in die SPD eingetreten, betonte, von der Leyen sei auch deswegen Kandidatin geworden, weil keiner der Europawahl-Spitzenkandidaten eine Mehrheit gefunden hat. „Der französische Präsident hat sie vorgeschlagen.“ Das Personalpaket sei ausgewogen und Ergebnis einer mühsamen Kompromisssuche. „Ich finde, dass die Kritiker des Pakets geradezu populistisch argumentieren und damit Wasser auf die Mühlen der Nationalpopulisten leiten.“

Der frühere SPD-Innenminister Otto Schily rief in der „Welt am Sonntag“ seine Partei zum Einlenken auf, von der Leyen sei „eine hoch kompetente, intelligente, welterfahrene Politikerin“.

„Es ist höchste Zeit für die SPD, sich zu korrigieren“

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