Wirtschaft

Behörden wollen IT-Fachkräfte mit deutlich mehr Geld locken

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Ministerien und Ämtern geht der Nachwuchs aus. Nun soll ein neues Gesetz den öffentlichen Dienst für Fachkräfte attraktiver machen.

Wer in der Cyberverteidigung arbeiten will, kann sich bald auf höhere Gehälter freuen.

Der Name des Gesetzes ist fast so lang wie die Liste der IT-Personalprobleme bei Behörden und Ministerien: Das Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz soll ab 2020 Gehälter und Zulagen im öffentlichen Dienst erhöhen und neu regeln. Vergangene Woche gab das Bundeskabinett grünes Licht für den Gesetzesentwurf, der nach der Sommerpause vom Bundestag gebilligt werden muss. Nötig ist es, um den Herausforderungen der Digitalisierung und des demografischen Wandels im öffentlichen Dienst zu begegnen.

Die Bundesregierung, so geht aus dem Gesetzesentwurf hervor, rechnet insgesamt mit Mehrkosten von 410,9 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre. Ab dem Haushaltsjahr 2023 entstehen jährliche Mehrausgaben in Höhe von 149,7 Millionen Euro. Aber reicht es wirklich, einfach nur Geld fließen zu lassen? Was erwarten junge Menschen vom Staat als Arbeitgeber? Und wie groß sind die Nachwuchssorgen in den Behörden und Ministerien tatsächlich?

Der IT-Fachkräftemarkt ist hart umkämpft. Das spürt auch die öffentliche Hand. Der Wettbewerb findet nicht nur mit der Privatwirtschaft, sondern mittlerweile auch zwischen den Behörden und Ministerien statt. Ohne das heftig umschwärmte Fachpersonal gibt es keine digitale Transformation Deutschlands, keine Verwaltungsmodernisierung, keine IT-Sicherheit im Land. Das hätte gravierende Folgen für die Funktions- und Innovationsfähigkeit des Staates, warnen Experten seit langem.

Informatiker werden auf unterschiedlichsten Ebenen in der Verwaltung gebraucht und werden dort auch aktuell schon eingesetzt. „Die Besoldung richtet sich daher nach diversen Variablen – Laufbahn, Erfahrungs- und Vordienstzeiten und Familienstand“, erklärt eine Sprecherin der Dachgewerkschaft DBB Beamtenbund und Tarifunion. Durch das geplante Gesetz kommt es nun allerdings verstärkt zu Zulagen und Prämien, um einerseits neue IT-Fachkräfte zu gewinnen und andererseits das bestehende IT-Personal auch halten zu können.

Extra-Prämie für Cyberverteidigung

Durch den neu konzipierten Paragraph 43 des Gesetzes soll etwa schon bei Dienstantritt viel Geld fließen: Eine Personalgewinnungsprämie könnte für IT-Fachkräfte Einmalzahlungen von ungefähr 44.000 bis zu 80.000 Euro brutto möglich machen, wie DBB auf Anfrage von Tagesspiegel Background errechnete. Grundlage sind die Besoldungsstufen, die in den meisten Fällen für Informatiker zutreffen – auch Beträge darunter oder darüber sind möglich. Die Prämie beläuft sich auf 30 Prozent des jeweiligen monatlichen Grundgehalts beim Einstieg und ist auf bis zu 48 Monate bemessen. Für die Dauer dieser Zeit verpflichten sich die Mitarbeiter, den Arbeitgeber nicht zu wechseln. In Ausnahmefällen darf die Prämie sogar ein zweites und ein drittes Mal ausbezahlt werden – dann jedoch mit nur mehr 20 Prozent des Grundgehalts.

Auf dem Gebiet der Cyberverteidigung sollen ebenfalls zwei neue Zulagen kommen, die zusätzlich bis zu 300 Euro monatlich ausmachen können. Eine „Cyberzulage“ soll Personal zu Gute kommen, das besonders verantwortliche Funktionen auf dem Gebiet der Cyberverteidigung der Bundeswehr wahrnimmt, erklärt eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums. Die sogenannte „IT-Bw-Zulage“ ist wiederum für Personal vorgesehen, das bei zentralen Einrichtungen der Bundeswehr den IT-Betrieb sicherstellt.

Eine Bindungsprämie, die ebenfalls im Paragraph 43 geregelt ist, soll außerdem dafür sorgen, dass das bestehende Personal nicht abhandenkommt und in die Privatwirtschaft wechselt. Auch hier handelt es sich um eine durchaus großzügige Lösung: Liegt einem Beamten ein Angebot eines anderen Arbeitgebers vor, soll es künftig möglich sein, dass die öffentliche Hand eine Prämie auszahlt, um ihn zu halten. Diese monatliche Prämie soll bis zu 50 Prozent der Differenz des Grundgehalts und des Gehalts des Konkurrenzangebots ausmachen, wobei 75 Prozent des Grundgehalts nicht überschritten werden dürfen und die Prämie maximal 48 Monate lang ausbezahlt werden kann. Die Beamten müssen für den Gewährungszeitraum ebenfalls auf ihrem jeweiligen Dienstposten bleiben.

Geld alleine reicht Bewerbern nicht

Im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes besteht schon seit längerem die Möglichkeit für IT-Kräfte übertarifliche Fachkräftezuschläge mit bis zu 1000 Euro brutto monatlich auszuzahlen. Dass es nun auch bei den Beamten Prämien in nennenswerter Höhe kommen soll, begrüßt Friedhelm Schäfer, Fachvorstand Beamtenpolitik bei DBB. Ganz zufrieden ist er allerdings nicht: „Mit den teilweise deutlichen Erhöhungen im Zulagenbereich wird zwar ein spürbarer und aufmerksamkeitserregender allerdings nur ein kurzfristiger Effekt bewirkt.“

Das Ganze sei in Teilen lediglich „eine Kompensation für jahrzehntelange Nichtanpassungen“, sagt er auf Nachfrage. „Bisher wurde im öffentlichen Dienst an einigen Stellen zu wenig investiert und ausgebildet. Mittlerweile ist der Druck – vor allem in Bezug auf IT-Fachkräfte – aber so hoch, dass dies nicht mehr möglich ist“, erklärt auch Florian Keppeler, der zu Personalmanagement im öffentlichen Sektor an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen forscht. Keppeler bewertet die Initiative der Bundesregierung positiv, verweist aber darauf, dass Geld alleine nicht ausschlaggebend für viele junge IT-Talente ist.

Das Personalproblem wird noch größer werden

Eine Studie der TU München bestätigt das: Über die Hälfte der von den Wissenschaftlern befragten Informatikstudierenden fanden eine für sie passende Aufgabe als den wichtigsten Faktor für den Berufseinstieg. Auf Platz zwei der Erwartungen an den zukünftigen Arbeitgeber steht das Gehalt, welches von 36 Prozent der Befragten genannt wurde. Gefolgt vom Arbeitsklima, das 33 Prozent der Noch-Studenten wichtig finden.

„Am wichtigsten wäre es, effizientes Personalmarketing zu betreiben, offen auf Kandidaten zuzugehen und klar zu kommunizieren, welche Aufgaben im öffentlichen Dienst auf IT-Fachkräfte warten“, sagt Keppeler. Die Möglichkeit von Praktika müsse etwa viel offensiver beworben werden. Die öffentliche Hand sei es immer noch nicht wirklich gewohnt, aktiv um Personal zu werben, wie dies etwa die Privatwirtschaft tue. Dabei geht es nicht nur um aktive Arbeitssuchende, sondern auch um unzufriedene Arbeitnehmer, die gewillt sind den Arbeitgeber zu wechseln. „Auch die sollte man mit Personalmarketing ansprechen“, meint Keppeler.

Denn das Problem wird in Zukunft nicht verschwinden, sondern größer werden: In den kommenden 15 Jahren gehen mehr als die Hälfte der aktuell ungefähr 4,8 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Ruhestand, erklärt eine DBB-Sprecherin im Gespräch mit Tagesspiegel Background. Die Zeit und die Demografie spielen also gegen die öffentliche Hand. Ein ressortübergreifendes Vorhaben soll daher im September die nächsten Ergebnisse liefern: Da wird ein Maßnahmenbericht der Arbeitsgruppe PersDIV (Personalentwicklung und -gewinnung in der Digitalen Verwaltung) erwartet, die im vergangenen Jahr ihre Arbeit aufnahm. Personalentwickler überlegen sich dabei gemeinsam mit den Ministerien, wie Rekrutierungsprozesse für den öffentlichen Dienst verbessert werden können. „Der Bund“, so ein Sprecher des koordinierenden Bundesinnenministeriums, „ist gefordert ein attraktives Gesamtpaket und Arbeitsumfeld zu bieten“.

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