Technik

Schwierige Mobilfunk-Revolution: Was man über 5G wissen muss

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5G ist echtes Höchstgeschwindigkeits-Internet.

Von Klaus Wedekind

Mit der Frequenzversteigerung geht der 5G-Ausbau im Frühjahr in die entscheidende Phase. Wozu ist die Technologie gut, was sind die Voraussetzungen und verschläft Deutschland wieder eine technische Revolution? n-tv.de hat die Antworten.

Was bedeutet 5G eigentlich?

5G steht für die fünfte Mobilfunk-Generation. LTE ist die vierte Generation, davor kamen UMTS (3G) und GSM. Als erste Generation werden die A-, B-, und C-Netze bezeichnet. Das C-Netz markierte dabei 1985 den Übergang vom analogen zum digitalen Mobilfunk.

Was kann 5G?

Rein technisch sollen Datenraten (Durchsatz) von bis zu 20.000 Megabit pro Sekunde (MBit/s) beziehungsweise 20 Gigabit (GBit/s) im Download erreicht werden, beim Upload die Hälfte. Aktuell vermarkten die drei deutschen Netzbetreiber LTE-Höchstgeschwindigkeiten zwischen 225 (O2) und 500 Mbit/s (Vodafone). In der Realität werden wie so oft kleinere Brötchen gebacken. Die Vorgaben der Bundesnetzagentur für 5G-Betreiber sehen eine Mindest-Download-Rate von 100 Mbit/s vor. Das ist immer noch enorm. Zum Vergleich: Amazon oder Netflix setzen für Streaming in 4K-Qualität nicht mehr als 25 Mbit/s voraus.

In der Logistik kann 5G automatische Abläufe enorm beschleunigen.

Der neue Standard ist aber nicht nur um ein Vielfaches schneller als LTE, auch die Kapazität soll 1000 Mal höher als bei LTE liegen. Bis zu 1 Million Endgeräte pro Quadratkilometer soll das 5G-Netz verkraften – bei mindestens 100 MBit/s. Die Kapazität einer LTE-Funkzelle liegt ungefähr bei 200 Teilnehmern, die dann auch nur einen sehr langsamen Internetzugang haben.

Der kommende Mobilfunkstandard glänzt außerdem mit extrem kurzen Reaktionszeiten. Die sogenannte Latenz soll nicht mehr als 4 Millisekunden betragen, angepeilt ist 1 Millisekunde. Außerdem ist ein 5G-Netz zuverlässiger, der Wechsel von einer Funkzelle läuft viel schneller und stabiler. Das gilt auch im Auto oder im Zug, theoretisch hält die Verbindung bei Geschwindigkeiten bis zu 500 Stundenkilometern. Schließlich ist 5G auch zehn Mal weniger energiehungrig als LTE.

Wer braucht 5G?

Es ist zwar schön, auch mobil 4K-Filme zu streamen, aber in erster Linie profitiert die Industrie von 5G. Es geht dabei beispielsweise um vernetzte Maschinen in der industriellen Fertigung, Anwendungen in der Medizin (E-Health) oder um die schnelle und stabile Datenverbindung für autonomes Fahren.

Notärzte können unterwegs via 5G bereits wichtige Daten abrufen und senden oder AR-Anweisungen zur Behandlung erhalten.

"Wenn Deutschland seine industrielle Vorrangstellung halten will, muss das Land bei Entwicklung und Implementierung von Industrie 4.0 Vorreiter sein", heißt es in einer Analyse von Roland Berger. "Allerdings funktionieren Anwendungen wie fahrerlose Transportsysteme, mobile Werkzeuge, Roboter oder auch die Mensch-Maschine-Kollaboration nur mit einer hochleistungsfähigen Funktechnologie. Deshalb ist die schnelle Verfügbarkeit der 5G-Technologie eine wesentliche Voraussetzung."

Glasfasernetz ist Voraussetzung

Der 5G-Ausbau muss schrittweise geschehen. Zum einen ist zunächst ein flächendeckendes Glasfasernetz Voraussetzung, um die Sendemasten mit der nötigen Bandbreite zu versorgen. Hier steht nach eigenen Angaben vor allem die Telekom gut da. Ihr Glasfasernetz soll insgesamt bereits 500.000 Kilometer lang sein und jährlich sollen 60.000 Kilometer hinzukommen. Auch Vodafone sieht sich gut gerüstet, laut "Golem.de" ist dessen HFC-Netz (Hybrid Fiber Coax) 400.000 Kilometer lang. Telefónica setzt auf eine Kooperation mit der Telekom, die laut Vereinbarung mindestens 5000 Mobilfunkstandorte des O2-Betreibers an sein Glasfasernetz anbinden wird.

Zunächst wird es darum gehen, existierende LTE-Masten um 5G zu erweitern, aber das wird nicht genügen. Bei weitem nicht. Bei dem Turbo-Netz hängt viel davon ab, welche Funkfrequenzen genutzt werden. Für einen flächendeckenden Ausbau sind vor allem niedrige Bereiche geeignet, bei denen der Abstand zwischen den Funk-Standorten wesentlich größer als bei höheren Frequenzen sein kann.

Das Problem ist, dass dafür das 700-Megahertz-Netz vorgesehen ist, dass auch für digitales Fernsehen oder drahtlose Mikrofone eingesetzt wird. Die EU hat beschlossen, das Band für 5G freizumachen (umzuwidmen). Allerdings haben die Länder noch bis 30. Juni 2020 Zeit dies umzusetzen, und falls sie dazu "aus berechtigten Gründen" nicht in der Lage sind, können sie sich bis zu zwei Jahre zusätzlich Zeit nehmen.

Zu kurz gedacht

Autos der Zukunft benötigen für autonomes Fahren 5G.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass in Deutschland im kommenden Frühjahr das Spektrum bei 3,6 Gigahertz versteigert wird, obwohl es kaum für einen flächendeckenden Ausbau geeignet ist. In der "5G-Strategie für Deutschland" der Bundesregierung steht, dass dieser Frequenzbereich zwar höhere Datenraten und Kapazitäten ermöglicht. Aber: "Anders als das Spektrum aus niedrigen Frequenzbereichen haben diese Frequenzen allerdings nur eine sehr begrenzte Reichweite, so dass sich diese Netze auf lokale Gebiete beschränken werden."

Bitkom-Präsident Achim Berg hat die Entscheidung der Bundesnetzagentur scharf kritisiert: "Anstelle von 60.000 Funkmasten braucht man im 3,6er Band 800.000 Funkmasten um 98 Prozent der Haushalte mit 5G zu versorgen", sagt er. "Deutschland müsste im Abstand von je einem Kilometer mit Funkmasten gespickt und schachbrettmusterartig aufgebaggert oder aufgefräst werden. Dagegen entstehen jetzt schon die ersten Bürgerinitiativen."

Außerdem sind die Kosten für den Ausbau enorm. Er wird viele Milliarden verschlingen und Milliarden werden auch die zu versteigernden 5G-Lizenen kosten. Das werden die Netzbetreiber an die Kunden weitergeben. Die Technik bleibt so voraussichtlich lange sehr teuer, was ihre Verbreitung zusätzlich bremst. Forderungen an die Bundesregierung, bei Frequenzversteigerungen weniger auf die Einnahmen als auf einen schnellen und günstigen Netzausbau zu schauen, ergeben durchaus Sinn.

Verkehrswege haben Vorrang

Der 5G-Ausbau ist für Wirtschaft und Politik eine große Herausforderung.

Im Prinzip kann man die Vorgaben der Bundesnetzagentur so lesen, dass bis Ende 2022 lediglich Autobahnen, hochrangige Bundesstraßen und vielbefahrene Zugstrecken versorgt werden müssen, bis Ende 2024 dann die restlichen Bundesstraßen. Alle anderen Verkehrswege oder Haushalte müssen lediglich eine gute LTE- oder DSL-Versorgung bekommen.

Dass außerdem bis Ende 2022 von den Betreibern 1000 5G-Basisstationen und 500 Basisstationen in "weißen Flecken" gefordert werden, wird Deutschland kaum zum "Leitmarkt für 5G" machen. Erst ab 2025 verteilt die Netzagentur dann die für den Flächenausbau geeigneten niedrigen Frequenzen.

Industrie plant eigene 5G-Netze

Es gibt aber auch Lob für die Agentur. Industrieverbände freuen sich, dass die Frequenzbereiche von 3,7 bis 3,8 GHz und 26 GHZ aufgespart und für lokale Anwendungen reserviert bleiben. "Dieses Vergabeverfahren ermöglicht es Unternehmen, an Produktionsstandorten eigene, lokal begrenzte 5G-Industrienetze zur Kommunikation zwischen Maschinen, Systemen und Anlagen zu betreiben. Dadurch ist gewährleistet, dass industrielle Betreiber über den Zeitpunkt des Ausbaus und die Qualität des 5G-Netzes entscheiden sowie Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität ihrer Daten wahren", schreibt beispielsweise der Chemie-Verband VCI.

Die drei großen Netzbetreiber dürften darüber weniger glücklich sein. Andererseits wurden sie nicht verpflichtet, ihre Netze für Konkurrenten zu öffnen (Roaming). Sie sollen lediglich über eine Kooperation verhandeln. Die Telekom hat in einem 8-Punkte-Plan bereits angeboten, ihre Infrastruktur zu teilen.

Muss ein Smartphone 5G können?

Vor 2025 darf man kaum mit einem 5G-Netz in Deutschland rechnen, das so enge Maschen hat, dass es sich wirklich lohnt, einen 5G-Vertrag abzuschließen. Selbst wenn der Empfang in Deutschland einmal flächendeckend sein wird, muss man aber damit rechnen, dass entsprechende Verträge sehr teuer sein werden.

Große Vorteile haben Normalnutzer von 5G ohnehin nicht. So oft wird man sich kein 4K-Video mobil sekundenschnell herunterladen wollen. Und für Streaming in hoher Qualität genügt auch ein gutes LTE-Netz. Eine lückenlose 4G-Abdeckung mit den versprochenen Datenraten ist daher für Privatnutzer mittelfristig interessanter. Das Gleiche gilt für DSL mit mindestens 100 MBit/s. Auch dazu hat die Bundesnetzagentur die Betreiber verpflichtet. Hoffentlich klappt das wenigstens wie geplant.

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