Politik

Die Chronik des NSU-Prozesses

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In München wurde seit Mai 2013 gegen Beate Zschäpe und andere verhandelt. Unser Autor war an fast allen Prozesstagen dabei. Ein Blick zurück auf 438 Prozesstage.

Sie steht im Zentrum des Prozesses: Beate Zschäpe.

Unser Reporter Frank Jansen begleitete den NSU-Prozess in München von Beginn an. Er war bei fast jedem Prozesstag dabei und hat über die meisten auch etwas geschrieben. Seine Reportagen sind dann jeweils verlinkt. Klicken Sie dafür einfach auf den Tag. 500 Zeugen, juristische Scharmützel. Lesen Sie hier alle Entwicklungen zur Urteilsverkündung. Und hier, warum unser Reproter findet, dass das Urteil im NSU-Prozess nicht das letzte Wort ist.

Tag 1 / 6. Mai 2013: Turbulenter Auftakt. Vor dem Eingang zum Gerichtsbunker stehen Zuschauer und Journalisten in langen Schlangen. Manche Besucher sind schon in der Nacht gekommen, um sich einen der 100 Plätze auf der Tribüne im Saal A 101 zu sichern. Kurz vor zehn Uhr kommen die Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Carsten S., Holger G. und André E.. Im Mittelpunkt steht Zschäpe, sie wird von Fotografen und Kameraleuten bedrängt und abgelichtet wie ein Filmstar. Die Frau reagiert, wie sie es nun täglich machen wird: sie dreht den Journalisten den Rücken zu.

Die Verhandlung dauert am ersten Tag nicht lange. Einer der drei Verteidiger Zschäpes, Wolfgang Stahl, verliest einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl. Die Anwälte stört, dass sie sich wie die Besucher abtasten und durchsuchen lassen müssen. Götzl überrascht mit seiner Reaktion: er setzt die weitere Prozesswoche komplett ab. Der Befangenheitsantrag wird wie alle weiteren, die bis heute gestellt wurden, von Richtern des OLG abgelehnt.

Tag 2 / 14. Mai 2013: Bundesanwalt Herbert Diemer verliest den 35-seitigen Anklagesatz. Zschäpe wird der Mittäterschaft bei allen Verbrechen der Terrorzelle beschuldigt. Die Angeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. sollen die Pistole Ceska 83 besorgt haben, mit der die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen. Holger G. und André E. sollen den NSU unterstützt haben. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer beantragt, den Prozess auszusetzen.


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Bilder vom NSU-ProzessWeitere Bilder anzeigen
1 von 26Foto: dpa06.05.2013 19:33Keine Schreie, keine Flüche, kein inszenierter Schmerz für die Kameras. Am ersten Tag des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht…Zurück

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Tag 3 / 15. Mai 2013: Wohllebens Verteidigerin Nicole Schneiders fordert ebenfalls, die Verhandlung auszusetzen. Laut Schneiders fehlen ihr Akten zur Waffe Ceska 83.

Tag 4 / 16. Mai 2013:  Der Strafsenat lehnt die von Zschäpes Verteidigern beantragte Aufzeichnung der Aussagen von Zeugen ab. Die Anwälte der Hauptangeklagten kündigen an, Zschäpe werde sich nicht zur Anklage äußern. Auch die Verteidiger Wohllebens und die von André E. erklären, ihre Mandanten würden sich nicht einlassen. Nur Carsten S. und Holger G. wollen Angaben

zu den Tatvorwürfen machen.

Tag 5 / 4. Juni 2013: Der Angeklagte Carsten S. gesteht, er habe im Frühjahr 2000 die Pistole Ceska 83 nach Chemnitz an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gebracht. Die beiden Neonazis versteckten sich dort mit Beate Zschäpe. Carsten S. belastet zudem Ralf Wohlleben. Der soll den Kauf der Waffe eingefädelt und das Geld dafür gegeben haben.

Tag 6 / 5. Juni 2013: Carsten S. setzt sein Geständnis fort. Er gibt zu, sich in seiner Zeit in der rechten Szene in Jena an gewaltsamen Angriffen auf Nazi-Gegner und türkische Imbisse beteiligt zu haben.

Tag 7 / 6. Juni 2013: Holger G. verliest sein schriftlich formuliertes Geständnis. Er habe für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 10 000 D-Mark aufbewahrt, Böhnhardt bei der Beschaffung eines Reisepasses und Fü

hrerscheins geholfen und für Zschäpe eine AOK-Karte besorgt, sagt G. in hektischem Ton. Außerdem habe er 2000 oder 2001 von Wohlleben eine Schusswaffe bekommen und sie nach Zwickau zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gebracht. In Zwickau hatten die drei vom Sommer 2000 an bis zum Ende der Terrorzelle im November 2011 gelebt. Fragen zum Geständnis will G.zunächst nicht beantworten. Er hat es bis jetzt nicht getan. 

Tag 8 / 11. Juni 2013: Carsten S. gesteht weiter und berichtet zudem unter Tränen von einem bislang nicht bekannten Sprengstoffanschlag, den Mundlos und Böhnhardt im Juni 1999 in Nürnberg begangen haben sollen. Dort explodierte in einem türkischen Lokal ein Sprengsatz, der in einer Taschenlampe eingebaut war. Ein Angestellter erlitt Verletzungen im Gesicht. Mundlos und Böhnhardt hatten Carsten S. in Chemnitz von der Tat erzählt, wollten aber nicht, dass Zschäpe etwas davon mitbekommt.

Tag 9 / 12. Juni 2013: Carsten S. berichtet, Mundlos und Böhnhardt seien davon ausgegangen, der Anschlag in Nürnberg habe „nicht geklappt“. Warum die beiden Terroristen das glaubten, bleibt unklar. Sicherheitsexperten kritisieren am Rande des Prozesses, dass die Nürnberger Behörden den Anschlag nicht nochmal untersuchten, nachdem die Terrorzelle NSU im November 2011 aufgeflogen war.

Tag 10 / 13. Juni 2013: Carsten S. will keine Fragen von den Verteidigern Wohllebens beantworten, weil der schweigt. Der geständige Angeklagte betont, ihm sei wichtig, dass auch Wohlleben die Geschichte zur Ceska 83 erzähle „und nicht nur ich mich nackig mache“. Wohlleben schweigt weiter.

Tag 11 / 18. Juni 2013: Bundesanwalt Herbert Diemer verkündet, seine Behörde habe Ermittlungen zum Sprengstoffanschlag in Nürnberg aufgenommen. Carsten S. bestreitet bei Fragen von Anwälten der Nebenkläger, die Ceska 83 bei einem Mittelsmann gezielt mit einem Schalldämpfer bestellt zu haben.

Tag 12 / 19. Juni 2013: Ein Nebenklage-Anwalt wirft Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke vor, der rechtsextremen Szene nahezustehen. Es gibt Streit, den der Vorsitzende Richter nur mühsam beenden kann. Carsten S. sagt am Ende der Befragung durch die Anwälte der Nebenkläger, er wolle den Opfern des NSU und den Hinterbliebenen der Ermordeten „sein tiefes Mitgefühl ausdrücken“.

Tag 13 / 20. Juni 2013: Wohllebens Verteidiger verlangen die sofortige Aufhebung des Haftbefehls gegen ihren Mandanten. Wohlleben sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft. Aus Sicht der Anwälte hat Carsten S. in seinem Geständnis die Ceska 83 nicht eindeutig als die Waffe identifziert, die er in Chemnitz Mundlos und Böhnhardt übergab.

Die Spur der Neonazi-MörderWeitere Bilder anzeigen
1 von 53Foto: dapd11.07.2018 11:59November 2011: Nach Ermittlungen um einen missglückten Banküberfall in Arnstadt und ein explodiertes Wohnhaus in Zwickau sieht…Zurück

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Tag 14 / 24. Juni 2013: Die Beweisaufnahme zu den zehn Morden des NSU beginnt. Zunächst geht es um den Tod des türkischen Schneiders Abdurrahim Özüdogru. Mundlos und Böhnhardt hatten ihn am 13. Juni 2001 in seinem Ladenlokal in Nürnberg erschossen. Im Gerichtssaal werden Fotos der Leiche und des Tatorts auf zwei Wände projiziert. Ein Polizist erläutert die Bilder in kaltschnäuzigem Ton und erwähnt, Werkstatt und Wohnung des Türken hätten einen „unaufgeräumten Eindruck“ gemacht.

Tag 15 / 25. Juni 2013: Ein Brandsachverständiger der sächsischen Polizei beschreibt den Zustand der Wohnung in Zwickau, die mutmaßlich Beate Zschäpe am 4. November 2011 angezündet hatte. Der Beamte beschreibt die Verwüstung und berichtet von den Waffen, die in den Räumen lagen.

Tag 16 / 26. Juni 2013: Der ehemalige Verwalter des zerstörten Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße sagt, Zschäpe habe sich im Spätsommer 2011 vehement dagegen gewehrt, dass ein Handwerker die Tür zu ihrem Keller öffnet. In dem Raum waren möglicherweise Waffen und Munition gelagert.

Tag 17 / 2. Juli 2013: Ein Beamter der Zwickauer Polizei sagt, Zschäpe habe vor ihrer Festnahme am 8. November 2011 in Jena an Selbstmord gedacht. Das habe sie ihm am Abend des 8. November erzählt. Die Polizei hatte Zschäpe zur Direktion Zwickau gebracht.

Tag 18 / 3. Juli: Ein Beamter des BKA schildert, wie er im Juni 2012 versuchte, Zschäpe zum Reden zu bringen. Der Polizist, Typ rheinländisches Schlitzohr, begleitete die Angeklagte bei einer Fahrt von der JVA Köln-Ossendorf zum Gefängnis in Gera, wo Zschäpe ihre im nahen Jena lebende Mutter und Großmutter treffen konnte. Scheinbar beiläufig sprach der BKA-Mann mit Zschäpe über die ehemalige RAF-Terroristin Susanne Albrecht, die ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte und schon nach drei Jahren Haft Freigängerin wurde. Doch Zschäpe ließ sich nicht erweichen. 

Tag 19 / 4. Juli 2013: Etwas wirre Waffenanalyse eines Beamten des BKA. Der Mann mit dem Irokesenschnitt hat zudem seine Lesebrille vergessen, ein Verteidiger von Carsten S. leiht ihm eine Taschenlupe.´

Video10.05.2018, 18:10 Uhr02:04 Min.Weiter Aufklärung zum NSU gefordert: “Es darf keinen Schlussstrich geben”

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