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Deutsches Rettungsschiff mit Migranten nimmt Kurs auf Italien

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Wieder rettet eine deutsche Hilfsorganisation Migranten im Mittelmeer. Zwischen Italien und Deutschland zieht neuer Streit herauf. Carola Rackete wehrt sich.

Seenotretter der Organisation Sea-Eye und Flüchtlingsboot im Mittelmeer.

Das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ mit 65 auf dem Mittelmeer geretteten Migranten hat nach Angaben der Organisation Sea-Eye trotz eines Verbots Kurs auf die italienische Insel Lampedusa genommen. „Die italienische Insel ist der am nächsten gelegene europäische Hafen. Dort könnten die Geretteten schließlich an einen sicheren Ort gebracht werden, denn so verlangt es das internationale Recht“, stand in einer am Freitagabend verbreiteten Erklärung der Organisation. Nach dem Drama um die Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete droht damit neuer Streit zwischen Deutschland und Italien.

Italiens rechtspopulistischer Innenminister Matteo Salvini hatte zuvor gesagt, die „Alan Kurdi“ könne nicht nach Italien fahren – auch nicht im Fall einer späteren Verteilung der Migranten auf andere europäische Staaten. Er drängte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem Brief, Verantwortung für das Schiff zu übernehmen.


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Nach Angaben von Sey-Eye gaben 39 der 65 Migranten an, noch minderjährig zu sein. Der Jüngste von ihnen sei erst zwölf Jahre alt. Insgesamt 48 der Geflüchteten stammten aus Somalia in Ostafrika, zwei seien Libyer. Einer der Somalier habe erzählt, dass er schon vor drei Jahren aus seiner Heimat aufgebrochen sei, drei Monate für die Durchquerung der Wüste benötigt habe und einen Freund verloren habe, der an der libyschen Grenze erschossen worden sei.

Die „Alan Kurdi“ befand sich Schiffspositionsdiensten im Internet zufolge am Freitagabend etwa 185 Kilometer südlich von Lampedusa. Bei einer Geschwindigkeit von etwa 13 Kilometern pro Stunde würde die Fahrt rund 14 Stunden dauern.

Zunächst sah allerdings nichts danach aus, dass die Bundesregierung ihren Kurs mit Blick auf gerettete Migranten im Mittelmeer ändern würde. Sie hatte sich in der Vergangenheit stets bereiterklärt, Schutzsuchende aufzunehmen – jedoch unter der Voraussetzung, dass auch andere Staaten einwilligen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte in Berlin, Ziel der Regierung sei es, „eine schnelle Lösung zu finden“. Zunächst müsse ein sicherer Hafen gefunden und über die Verteilung der Geretteten auf die EU-Staaten gesprochen werden.

Sea-Eye berichtete am Abend, die libysche Küstenwache habe dem Schiff einen Hafen zugewiesen, wo die Geretteten an Land gebracht werden könnten. Dies habe die Organisation aber abgelehnt: „Wir werden keine Geretteten zurück in libysche Foltergefängnisse bringen“, schrieb Sea-Eye auf Twitter.

Matteo Salvini, italienischer Innenminister, redet mit Journalisten.

Unterdessen meldete sich Kapitänin Rackete erstmals seit ihrer Freilassung aus dem Hausarrest mit Kritik an der Bundesregierung zurück. Die 31-Jährige hatte die mehr als zweiwöchige Blockade der „Sea-Watch 3“ mit zuletzt 40 Migranten an Bord vor einer Woche mit dem unerlaubten Einfahren des Schiffs nach Lampedusa beendet.

Rackete vermisst Hilfe

Nun kommt ein juristisches Nachspiel in Italien auf sie zu. Am Dienstag steht eine Vernehmung an, es geht um den Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Migration. „Für den Fall, den wir nicht erwarten, dass eine Anklage zustande kommt, werde ich mich der selbstverständlich stellen, weil ich dann spätestens beim Gerichtsverfahren mit einem Freispruch rechne“, sagte Rackete der NDR-Sendung „Panorama“.

Rackete habe den Eindruck gehabt, dass auf nationaler und internationaler Ebene niemand richtig helfen wollte, während die „Sea-Watch 3“ auf eine Anlegeerlaubnis wartete. „Die haben die heiße Kartoffel immer weitergereicht, während wir zuletzt noch immer 40 Gerettete bei uns an Bord hatten“, sagte sie dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Deutsche Kommunen hätten zwar angeboten, Migranten von der „Sea-Watch 3“ aufzunehmen. „Es scheiterte dann aber auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer, der keine Lust hatte, die Angebote der Städte anzunehmen.“

Wellen des Hasses

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte am Freitag, zunächst müsse der Bund seine Zustimmung zur Aufnahme geben. Nach dem üblichen Verfahren würden die Menschen dann auf die Länder und von dort auf die Kommunen verteilt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei gebeten, die Angebote der Städte zu berücksichtigen.

Rackete kritisierte auch Seehofers Amtskollegen Salvini. „Seine Art, sich auszudrücken, ist respektlos, für einen Spitzenpolitiker ist das nicht angemessen.“ Am Freitag nannte Salvini Rackete auf Facebook eine „reiche und verwöhnte deutsche Kommunistin“.

Racketes Anwalt kündigte eine Verleumdungsklage gegen den Minister an. „Er ist es, der die Wellen des Hasses bewegt“, sagte Alessandro Gamberini Radio Cusano Campus mit Blick auf Salvini. Es sei zwar schwer, mit einer Verleumdungsklage diesem Hass entgegenzutreten, aber es gehe darum, ein Zeichen zu setzen.

Einigung zwischen Malta und Italien

Im Fall von 54 Migranten, die die Organisation Mediterranea Saving Humans am Donnerstag rettete, erzielten Italien und Malta eine Übereinkunft. Valletta erklärte sich bereit, die Menschen von dem Segelboot „Alex“ aufzunehmen, wenn Italien im Gegenzug 55 Migranten von Malta übernimmt. Die Organisation sieht ihr Boot allerdings nicht in der Lage, nach Malta zu fahren, und forderte von den Küstenwachen der Länder die Übernahme. Mehr als zehn Migranten, darunter Frauen und Kinder, wurden am Nachmittag von der italienischen Küstenwache von Bord genommen.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte die EU-Staaten hinsichtlich der Seenotrettung zum Handeln auf. „Wir brauchen einen Vorstoß mit den Mittelmeerländern und den aufnahmebereiten Mitgliedstaaten der EU“, sagte Müller am Rande eines Treffens der G7-Entwicklungs- und Bildungsminister in Paris, das am Donnerstag und Freitag in der französischen Hauptstadt stattfand. Man habe viel zu lange gewartet und dürfe Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich nicht alleinelassen. „Sea-Watch gestern ist Sea-Watch morgen“, sagte Müller. „Wir fangen dann beim nächsten Schiff wieder mit derselben Diskussion an.“ (dpa)

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