Wirtschaft

Plötzlich steht Kaufland ohne Chef da

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Mitten in einer ehrgeizigen Expansionsphase verliert Kaufland seinen Vorstandsvorsitzenden. Auf den Nachfolger warten mehrere Baustellen.

Kaufland muss sich auf die Suche nach einem neuen Chef machen.

Um kurz vor zehn Uhr am Donnerstagvormittag machte die Nachricht bei den Mitarbeitern in der Kaufland-Zentrale in Neckarsulm die Runde: Ihr Chef, Patrick Kaudewitz, legt sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder. Wenig später wurde die Meldung im Intranet für alle Kaufland-Mitarbeiter veröffentlicht. Da hatte das Unternehmen die Personalie auf Tagesspiegel-Anfrage allerdings schon bestätigt. Der Vorstandsvorsitzende verlässt Kaufland auf eigenen Wunsch und aus persönlichen Gründen. Ein Nachfolger ist noch nicht benannt, soll aber bald vorgestellt werden.

Kaudewitz stand seit 2015 an der Spitze von Kaufland. Damals waren die Umsätze in Deutschland rückläufig. Er investierte und modernisierte das Filial-Konzept; im Geschäftsjahr 2017/18 konnte Kaufland die Umsätze immerhin um 0,9 Prozent steigern, rote Zahlen schrieb die Supermarktkette allerdings noch immer. Ein Grund dafür war, dass ein Ende der Investitionsphase noch nicht abzusehen ist.

Der Abgang trifft das Unternehmen unerwartet und mitten in einer Phase der Expansion. Erst Anfang dieser Woche hatte Kaufland, das ebenso wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört, seine Pläne für eine Geschäftsausweitung nach Australien öffentlich gemacht. Für die ersten drei Filialen habe man Baugenehmigungen erhalten, teilte das Unternehmen mit. Schon im Mai sollen die Bauarbeiten beginnen, 286 Millionen Euro will Kaufland in dort investieren. Zudem steht die Eröffnung der ersten Filiale in der Republik Moldau bevor. Bisher ist Kaufland außerhalb Deutschlands in Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Polen, Rumänien und Bulgarien aktiv.

Übernahme von gut 100 Metro-Filialen

Doch auch auf dem Heimatmarkt hat das Unternehmen große Pläne. Vor wenigen Wochen hatte Klaus Gehring, Chef der Schwarz-Gruppe, bestätigt, dass Kaufland rund 100 Standorte von Real übernehmen will. Deren bisheriger Eigentümer Metro sucht seit Monaten nach einem Käufer für die Supermarktkette. Auf den neuen Kaufland-Chef würde also gleich zu Beginn die Aufgabe warten, die Real-Filialen zu integrieren.

Für den Handelsexperten Gerrit Heinemann wäre es ein logischer Schritt, sich „ein paar Rosinen aus dem Real-Portfolio herauszupicken“. „Real ist in einigen Gegenden gut vertreten, wo Kaufland bislang nicht sehr präsent ist, etwa am Niederrhein“, erklärt der Wirtschaftsprofessor der Hochschule Niederrhein. Zudem habe Real einen für Kaufland entscheidenden Pluspunkt: „Die Übernahme des Onlineshops, der ja auch Gewinn erwirtschaftet wäre für Kaufland sehr interessant.“

Heinemann spricht damit ein für die Schwarz-Gruppe heikles Thema an. Denn intern gab es in der Kaufland-Zentrale zuletzt mitunter Unmut über die Konzernführung. So war die Entscheidung von Ende 2017, dass sich sowohl Kaufland als auch Lidl ersatzlos aus dem Online-Geschäft für Lebensmittellieferungen zurückziehen, bei der im Durchschnitt sehr jungen Belegschaft nicht unumstritten. Kaudewitz hatte diese Entscheidung der Konzernführung vor Mitarbeitern immer wieder verteidigt.

Unmut in der Belegschaft

Auch der Führungsstil sorgte zuletzt für Unverständnis. Einigen Fachkräften stieß sauer auf, dass Dieter Schwarz, der 79-jährige Eigentümer und Gründer der gesamten Schwarz-Gruppe, sich zu viel und zu unvermittelt ins operative Geschäft einmische. So wurde Kauflands Werbespruch „Gute Woche“, der gerade erst etabliert werden sollte, still und heimlich gestrichen. Dem Vernehmen nach durch einen „Anruf von oben“. „Lidl hat ,Lidl lohnt sich’, Edeka hat ,Wir lieben Lebensmittel’, Kaufland hat jetzt gar nichts mehr“, sagt ein Mitarbeiter.

Zudem sei der Druck im Zuge der Australien-Expansion intern gewaltig. Der Grund dafür liegt in den Erfahrungen des Schwester-Unternehmens Lidl in den USA. Dort hatte der Discounter vor einigen Jahren eine ehrgeizige Expansion gestartet. Das Konzept kam in den USA allerdings nicht an, die Geschäfte blieben weit hinter den Erwartungen zurück, das Projekt gilt als Desaster für die Geschäftsführung.

Nach diesen Erfahrungen werde jeder Schritt von Kaufland in Australien sehr vorsichtig und bedacht unternommen, berichten Insider. Es heißt, scheitert der Gang nach Down Under, wären einige von Kauflands Spitzenmanagern ihre Jobs los.

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