Wirtschaft

„Wir wollen auf dem Batteriemarkt mitspielen“

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BASF-Chef Martin Brudermüller über die Strategie des weltgrößten Chemiekonzerns, Klimaschutz und den Wasserstand im Rhein.

„Unsere CO2-Ziele sind extrem ambitioniert“, sagt der BASF-Vorstandsvorsitzende.

Herr Brudermüller, vergangene Woche haben Sie die Strategie für die kommenden Jahre erläutert, woraufhin die BASF-Aktie mehr als vier Prozent verlor. Was ist falsch gelaufen?

An dem Tag hatten wir etwas Pech mit der Nachrichtenlage. Ein Wettbewerber kam gleichzeitig mit einer Gewinnwarnung und die Aktienmärkte standen insgesamt unter Druck. Was auch immer die Erwartungen der Finanzmärkte waren: Wir sind vom langfristigen Erfolg unserer Strategie überzeugt und haben klare Wachstums- und Renditeziele. Wir wollen stärker als der Markt zulegen und der operative Gewinn (Ebitda) soll jedes Jahr zwischen drei und fünf Prozent steigen. Das heißt im Klartext: Jedes Jahr zwischen 300 und 500 Millionen Euro mehr. In einem weltwirtschaftlich schwierigeren Umfeld und in Anbetracht, dass wir rund die Hälfte unserer Umsätze im langsam wachsenden europäischen Markt machen, ist das ein ehrgeiziges Ziel.

Wo kommt das Wachstum her?
Das größte Wachstum findet in China statt, wo wir auch mehr Gas geben und zehn Milliarden Dollar in einen neuen, neun Quadratkilometer großen Produktionsstandort investieren wollen. 2030 wird China rund die Hälfte des weltweiten Chemiemarktes ausmachen, deshalb bauen wir unser Geschäft massiv aus.

Ein riskantes Unterfangen angesichts des Handelsstreits mit den USA.
Anfang der 1990er haben wir den großen Standort in Nanjing gebaut – trotz der Asienkrise. Das war aus heutiger Perspektive eine weise Entscheidung. Und genauso wird sich die aktuelle Investitionsentscheidung als richtig erweisen. Wir bauen Anlagen, die 40 oder 50 Jahre betrieben werden.


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Sie haben zehn Jahre in Hongkong gelebt und kennen China sehr gut. Wie haben sich die Geschäftsbedingungen verändert?
Wir hatten dort früher weitgehend europäische Kunden, da wir unsere Partner von hier nach China begleitet haben. Heute sind die meisten Kunden chinesische Unternehmen. Wir wachsen mit ihnen und begleiten sie auf den Weltmarkt. Der Innovationshunger unserer chinesischen Kunden unterscheidet sich nicht mehr von westlichen Unternehmen. Deshalb haben wir auch ein großes Forschungszentrum in China eingerichtet.

Und der Handelsstreit stört nicht weiter?
Ich bin überzeugt, dass wir langfristig wieder zu einer Weltwirtschaft zurückkehren werden, die auf miteinander vereinbarten Regeln basiert. Andernfalls verlieren alle.

Haben Sie die Handelspolitik der USA im Auge, wenn Sie von einem „nicht leichten Jahr 2019“ sprechen?
Im dritten Quartal sind wir leicht unter unseren Erwartungen geblieben. Bremsspuren sehen wir weltweit in der Autoindustrie, mit der wir 18 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften. Ob andere Kundenbranchen folgen, ist derzeit noch nicht absehbar.

Also keine Panik wegen Protektionismus?
Der Konflikt ist spürbar, aber es ist schwierig, die Folgen abzuschätzen: Wir beliefern verarbeitende Industrien in den USA und China, wissen aber nicht, wo diese Kunden wiederum ihre Kunden haben. Wenn zum Beispiel ein chinesischer BASF-Kunde an Walmart in die USA liefert und das aufgrund von Handelsbeschränkungen nicht mehr geht, dann spüren wir das mit einem Zeitverzug. Aber es ist jetzt noch zu früh, um solche Effekte halbwegs präzise vorauszusagen.

BASF will schneller wachsen, Strukturen verändern und zwei Milliarden Euro sparen. Wie passt das zusammen?
Wir haben heute eine sehr an Funktionen ausgerichtete Organisation: Instandhaltung, Einkauf oder die Logistik. Und dann gibt es Bereiche, die Geschäfte mit den Kunden abwickeln. Die Schnittstellen zwischen Funktionen und Geschäftseinheiten machen große Organisationen schwerfällig. Die digitale Welt ist aber schnell geworden. Deshalb wollen wir Mitarbeiter, die in zentralen Einheiten sitzen, in kundennahe Geschäftsbereiche bringen. Dadurch können wir schneller werden und attraktiver für die Kunden.

Hat sich die komplexe Struktur des Chemiekonglomerats BASF zum Beispiel mit dem zehn Quadratkilometer großen Verbundstandort in Ludwigshafen nicht überlebt?
Im Gegenteil. Wir generieren großen Wert, indem wir viele Stufen der Chemie im Verbund an einem Ort haben. Es wird weniger transportiert, die Abwärme von einer Anlage kann von einer anderen Anlage genutzt werden, sodass der ökologische Footprint im Verbund viel besser ist. Auch in China werden inzwischen die Unternehmen gezwungen, sich in Chemieparks niederzulassen. In Ludwigshafen haben wir das seit Jahrzehnten. Wir müssen aber Komplexität managen, ohne kompliziert zu sein.

BASF gibt jedes Jahr für mehr als 3000 Forschungsprojekte gut zwei Milliarden Euro aus. Hat da noch jemand den Überblick?
Obwohl ich auch für die Forschung zuständig bin, kenne ich nicht jedes einzelne Projekt. Dafür haben wir Spezialisten auf den verschiedenen Gebieten. Bei den großen Themen weiß ich aber auch auf wissenschaftlicher Ebene ganz gut Bescheid.

Zum Beispiel?
Batteriematerialien für Elektromobilität sind ein riesiger Chemiemarkt, der im Moment entsteht. Da wollen wir ein wesentlicher Spieler werden. Das ist sehr kapitalintensiv, da müssen wir viel Geld in die Hand nehmen.

Der Wintershall/DEA-Börsengang 2020 und der Verkauf der Bauchemie womöglich 2019 könnten die erforderlichen Milliarden bringen.
Könnte sein. Aber wir sind ja schon in dem Batterie-Geschäft unterwegs. In den USA haben wir eine eigene Fertigung und produzieren Kathodenmaterial auch in einem Joint-Venture in Japan. Wo wir noch nichts haben, ist Europa. Für rund 400 Millionen Euro gehen wir das jetzt an, indem wir mit dem russischen Nickel- und Kobaltlieferanten Norilsk Nickel kooperieren und in Finnland ein Vorprodukt für sogenanntes Kathodenmaterial produzieren.

Und die zweite Wertschöpfungsstufe würde dann am BASF-Standort Schwarzheide in der Lausitz angesiedelt?
Schwarzheide ist eine Option. Da die Produktion energieintensiv ist und wir mit sauberem Strom arbeiten wollen, spielt das bei der Standortauswahl eine Rolle.

Und wie ist Strom in Schwarzheide?
Dort betreiben wir ein modernes Gasturbinenkraftwerk, das würde also passen. Entscheiden werden wir das vermutlich bis Mitte nächsten Jahres.

Wird BASF Batteriezellen bauen?
Nein, wir haben auf dem Gebiet keine Expertise und konzentrieren uns auf das Kathodenmaterial. Aber es gibt eine Reihe asiatischer Zellenhersteller, die gerade dabei sind, in Ungarn und Polen neue Fertigungen aufzubauen. Und die chinesische CATL plant ein entsprechendes Werk in der Nähe von Erfurt.

Verstehen Sie das Bemühen der Politik, Zellfertigungen in Europa und Deutschland anzusiedeln?
Wir müssen aus deutscher und europäischer Sicht so interessant werden, dass die Unternehmen hier Zellen fertigen, damit wir einen funktionierenden Wettbewerb bekommen. Deshalb sind die Aktivitäten der Politik zu begrüßen.

Bedarf es einer deutschen Zellenfertigung, um nicht abhängig zu werden von Asiaten?
Wir brauchen eine funktionierende, wettbewerbsfähige Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa. Aus welchem Land der Hersteller stammt, der in Europa investiert, ist nicht relevant. Was mir viel zu wenig beachtet wird, ist die Frage der Verfügbarkeit der Batteriematerialien in Europa und auch der dafür notwendigen Rohstoffe, also Nickel, Kobalt und Mangan. Diese Materialien stehen heute stark unter der Kontrolle der Chinesen, deshalb sollten wir uns für die Zukunft den Zugang sichern.

Wo bekommt die BASF das Material her?
Russland hat das Potenzial, weshalb wir bei den Rohstoffen mit dem Bergbauunternehmen Norilsk Nickel kooperieren.

Digitalisierung und Dekarbonisierung sind Megatrends, die vom weltgrößten Chemiekonzern mitgestaltet werden. Wie schmutzig ist die BASF?
In unserem Geschäft wird viel Energie verbraucht und auch große Mengen CO2 emittiert. Wir haben aber schon viel erreicht: Zwischen 1990 und 2018 hat BASF den CO2-Ausstoß je Tonne Produkt um die Hälfte reduziert. Das wird deutlich schwieriger. Aber wir haben uns dennoch das Ziel gesetzt, bis 2030 CO2- neutral zu wachsen, also nicht mehr zu emittieren als heute. Das bedeutet, wir senken den CO2-Ausstoß pro Tonne Produkt noch einmal deutlich. So ein Ziel gibt es bei keinem anderen Chemiekonzern. Angesichts unserer angestrebten Wachstumsraten und unserer Großinvestition ist das extrem ambitioniert.

Wie schaffen Sie das?
Eine Möglichkeit ist der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien. Darüber hinaus müssen wir Einsparmöglichen nutzen. Das geht aber aus technologischen Gründen nicht endlos weiter und wir müssen neue, innovative Technologien finden. Dazu müssen wir immer wieder mit der deutschen und europäischen Politik über die Rahmenbedingungen reden.

Und wie laufen die Gespräche?
Unterschiedlich. In Berlin brauchen wir ein Ende der Personaldiskussion und das Abarbeiten der vielen Themen, die auf dem Tisch liegen. Also endlich machen.

Und in Brüssel?
Das Thema Europa macht uns Sorgen, weil wir nicht an einem Strang ziehen. Ich habe mich persönlich sehr stark in einem Gremium von EU-Forschungskommissar Moedas für das Innovationsprogramm „Horizon 2020“ engagiert. Ein tolles Instrument, mit dem über acht Jahre 80 Milliarden Euro in die Forschung fließen. Das ist ein Beispiel für die großartigen Möglichkeiten der EU, die aber viel zu selten beachtet und gewürdigt werden. Welcher Wissenschaftler steht schon auf und bedankt sich für die Mittel, die ihm die EU zur Verfügung stellt?

Bekümmert Sie der Zustand der EU mehr als das Wirken Donald Trumps?
Es ist vielleicht weniger die Frage, was von beidem wichtiger ist, als die Frage, was davon man wirklich beeinflussen kann. Für uns als BASF ist Europa als Heimatmarkt natürlich von Interesse. Zum anderen bin ich aber auch Deutscher mit europäischem Herz und habe auch ein großes emotionales Interesse an einer starken EU. Es geht auch um die Zukunft unserer Gesellschaft und um die meiner Kinder. Ich glaube, dass wir in Europa unter unseren Möglichkeiten bleiben.

Eines der großen Probleme der BASF kann die EU vermutlich nicht lösen: den niedrigen Wasserstand im Rhein.
In der gesamten Geschichte der BASF haben wir tatsächlich noch nie einen solchen Sommer erlebt. Es hat immer mal wieder Jahre gegeben, in denen ein paar Wochen keine Schiffe fahren konnten. Das gleichen wir dann aus über Tankkapazitäten, Pipelines oder mehr Lieferungen per Zug oder Lkw. In diesem Jahr haben wir aber seit April einen geringen Wasserstand, der uns in Ludwigshafen, wo täglich 20 Schiffe an- und ablegen, schon sehr belastet.

Das war ein Grund für die enttäuschenden Zahlen im dritten Quartal.
Wenn es nicht kräftig regnet, wird das auch vorerst so bleiben.

Und in den kommenden Jahren?
Wir können Tankkapazitäten ausbauen und denken über die eine oder andere zusätzliche Pipeline nach. Andere Schiffe mit weniger Tiefgang sind eine Möglichkeit, doch wir müssen vielleicht auch eine Diskussion führen über die Wasserstraße Rhein. Der Rhein ist eine Schlagader für Europa und ganz besonders für Deutschland. Nicht nur logistisch, sondern auch ökologisch. Wenn weniger Wasser reinfließt, darf eben auch nur weniger rausfließen. Dafür wären dann Schleusen und Stauwerke erforderlich. Über solche Infrastrukturinvestitionen müssen wir diskutieren.

Martin Brudermüller wurde 1961 in Stuttgart geboren. Der Sohn eines Kernphysikers studierte Chemie in Karlsruhe, wo er auch promovierte. Vor gut 30 Jahren begann die Karriere bei BASF, wo er unter anderem das Asien-Geschäft leitete und 2011 stellvertretender Vorstandsvorsitzender wurde. Seit Mai ist Brudermüller Vorstandschef. Das 153 Jahre alte, größte Chemieunternehmen der Welt beschäftigt mehr als 120 000 Mitarbeiter, davon rund 54 000 in Deutschland und 1400 in Berlin. BASF will sich vom Öl- und Gasfördergeschäft (Wintershall) trennen und in die Fertigung von Batteriematerialien einsteigen.

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