Politik

Wie die CDU ihre Flüchtlingspolitik aufarbeiten will

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Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer lädt ab Sonntag zum “Werkstattgespräch”. Es geht um die Flüchtlingspolitik – und auch den Streit von CDU und CSU.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Daniel Thym hat praktisch keine Ähnlichkeit mit Angela Merkel. Auch Christian Hillgruber mit Horst Seehofer zu verwechseln ist so gut wie ausgeschlossen. Aber wenn die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntagabend ihr „Werkstattgespräch“ zum Flüchtlingsjahr 2015 und den Folgen eröffnet, sitzen die zwei Staatsrechtsprofessoren aus Konstanz und Bonn sozusagen stellvertretend für die zwei abwesenden Hauptakteure auf einem Podium im Konrad-Adenauer-Haus.

Die Idee ist weniger kurios, als es auf den ersten Blick erscheint, war der Streit um die Flüchtlingspolitik doch bis hin zu Seehofers Polemik über eine „Herrschaft des Unrechts“ stark juristisch geprägt. Thym steht grob gesprochen für Merkels „Zurückweisen an der Grenze geht nicht“, Hillgruber für Seehofers „Geht doch!“ Der Politikwissenschaftler Egbert Jahn und der geistige Vater des Türkei-Abkommens, Gerald Knaus, komplettieren den Kreis der Diskutanten im Kapitel „Rückblick“ des zweitägigen Events.

Die Idee ist außerdem natürlich listig. Der bittere Streit zwischen CDU und CSU wird auf diese Weise immerhin behandelt. Zugleich birgt eine Expertendebatte über die Auslegung komplexer europäischer Verordnungstexte die Chance, sogar zur nachträglichen Befriedung beizutragen, nach dem Motto: Wenn sich schon die Professoren streiten, wird wohl jede Seite ein bisschen Recht gehabt haben.

Mit den Hauptdarstellern auf dem Podium würde das jedenfalls nicht funktionieren. Seehofer hat nicht ernsthaft erwogen, sich einladen zu lassen. Auch Merkel hatte früh wissen lassen, dass sie nicht zu der Veranstaltung kommen würde, die, als Kramp-Karrenbauer sie im Wahlkampf um den CDU-Vorsitz ankündigte, zwischenzeitlich fast wie ein Mittelding aus Wahrheitskommission und Tribunal klang. Die SPD arbeite sich noch heute an Hartz IV ab, hatte die Saarländerin erklärt – die Union müsse aufpassen, dass ihr der Flüchtlingsstreit nicht genauso als Mühlstein um den Hals hängen bleibe. Ihre Lösung: Einmal noch alles aufarbeiten und ab da nach vorne schauen.


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Der Blick nach vorne prägt die Auswahl der Teilnehmer

Tatsächlich prägt das Nach- vorne-Schauen das Programm und die Auswahl der Teilnehmer. Die CSU ist zum Beispiel am prominentesten mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann vertreten. Der Mann hat hohes Ansehen in der Fachwelt und unter den Konservativen, war aber im Polit-Streit nie vorne dabei. Das macht ihn zur Idealbesetzung im Sinne des Friedensversprechens, das Kramp- Karrenbauer und der neue CSU-Chef Markus Söder abgegeben haben: Profil ja, Streiterei nein.

Der bedächtige Franke soll zusammen mit dem baden-württembergischen Amtskollegen und CDU-Vize Thomas Strobl am Montag den Gesprächskreis leiten, der sich mit offenen Fragen der inneren Sicherheit und der Abschiebung befasst. Drei weitere Themengruppen sollen parallel tagen: Eine zu Fragen des Europarechts und der europäischen Grenzsicherung, eine zu „Ordnung und Steuerung der Migration in und nach Deutschland“, die dritte zu „Integration vor Ort“.

Auch in diesen Arbeitsgruppen setzt Kramp-Karrenbauer stark auf Praktiker – Europa- und Landespolitiker, den Oberbürgermeister von Essen, Thomas Kufen, oder den CDU-Innenexperten Armin Schuster, ein früherer Grenzpolizist, bei dem sich die Parteichefin schon in ihrer Zeit als Generalsekretärin Rat geholt hatte. Der pragmatische Ansatz entspricht ohnehin ihrem Politikverständnis. An der Saar ist ihre Regierung die Flüchtlingskrise so hemdsärmelig wie erfolgreich angegangen – die AfD spielt dort keine große Rolle.

„Ergebnissicherung/Handlungsempfehlungen“ sieht das Programm anschließend vor, bevor Generalsekretär Paul Ziemiak vorstellt, was in der Werkstatt zusammengebastelt wurde. Die Handlungsempfehlungen dürften sich anschließend im Europawahlprogramm wiederfinden – dem ersten gemeinsamen von CDU und CSU seit langem. Und es ist nicht gewagt vorherzusagen, dass Teile des Katalogs der SPD präsentiert werden, wenn gegen Jahresende die im Koalitionsvertrag vereinbarte Revision ansteht. Kramp-Karrenbauer hat schließlich schon als Gast der CSU im Kloster Seeon und unter heftigem Nicken der Christsozialen angekündigt, dass die Union es nicht der SPD überlassen werde, Nachforderungen zu stellen.

“Vom Streit zu neuer Einigkeit” – diese Inszenierung scheint gesichert

Die Inszenierung „Vom Streit zu neuer Einigkeit“ scheint gesichert. Ob sich der tiefere Konflikt danach legt, ist offen. Zwar zeichnet sich eine Friedensformel nach dem Muster ab: Merkels erstes Willkommen war in Ordnung, danach ist manches falsch gelaufen und der Rest wurde schlecht kommuniziert. Aber das Fernbleiben der Kanzlerin und des heutigen Bundesinnenministers zeigen doch, auf welch wackeligen Füßen dieser Teil der Versöhnung nach wie vor steht.

Merkel selbst hat im Vorfeld im kleineren Kreis mal ironisch angeboten, als Zeitzeugin aufzutreten. Aber auf einem Podium im Adenauer-Haus wahlweise als Angeklagte oder Selbstverteidigerin zu sitzen – diese emotionale Zumutung, sagen Leute, die sie kennen, die wollte sie ihrer Partei genauso wie sich selbst dann doch lieber ersparen.

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