Wirtschaft

Vom Dieselstinker zum Klimaretter

0

Der Volkswagen-Konzern will mit Elektroautos neue Nachhaltigkeit beweisen – und in der Branche treibende Kraft werden.

Nicht nur Autoschau: In der Dresdner Manufaktur zeigt VW neue Technologien wie hier im Golf und baut aber auch Elektrofahrzeuge…

Größe ist für VW immer ein Markenzeichen gewesen – im Positiven wie im Negativen. Nach dem größtmöglichen Diesel-Skandal will der Autokonzern unter Beweis stellen, dass er auch als sauberster Hersteller die Nummer eins in der Branche ist. „Wenn wir etwas machen, dann machen wir es groß“, sagte Christian Senger, Leiter der Baureihe E-Mobility, dieser Tage in Dresden.

Den Beweis, dass VW es mit der Nachhaltigkeit ernst meint, will der Hersteller Ende des Jahres antreten: Das erste echte Elektroauto des Konzerns, der VW I.D., der 2020 auf den Markt kommt, wird zugleich das erste klimaneutral hergestellte Serienauto des Zwölf-Marken-Konzerns sein, wie Thomas Ulbrich, Vorstand für Elektromobilität, sagte. Das heißt, das Auto ist nicht nur während der Fahrt emissionsfrei, sondern auch in der Herstellung.

Und während seiner gesamten Lebensdauer wird es seinen „ökologischen Fußabdruck“ auf ein Minimum reduzieren. Bestenfalls auf Null, wenn die Kunden nur Ökostrom tanken. Eine Million Tonnen CO2, so verspricht VW, sollen allein bei der Produktion gespart werden. Den unvermeidlich verbleibenden Rest will VW durch Kompensation reduzieren, also durch Investitionen in Klimaschutzprojekte.

Sauber vom Rohstoff bis zum Recycling

Hergestellt wird der I.D. im Werk Zwickau, das gerade umgebaut wird – „von heute 100 Prozent Verbrennungsmotor auf 100 Prozent Elektro-Antrieb“, wie es heißt. Künftig sollen neben Zwickau auch in der Gläsernen Manufaktur in Dresden I.D.-Fahrzeuge hergestellt werden. Zudem werden die Werke in Hannover und Emden umgerüstet. Viele weitere E-Modelle, die von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling buchstäblich sauber sind, sollen auf den ersten I.D. folgen.


Jetzt kostenlos testen!

In den nächsten fünf Jahren will VW mehr als 20 reine E-Modelle auf den Markt bringen. Neun Milliarden Euro investiert allein die Kernmarke des Konzerns bis 2023 in die Elektromobilität. Größer als gedacht sind dabei die Erwartungen der Vertriebsleute: Statt der ursprünglich ab 2020 geplanten zehn Millionen E-Fahrzeuge, die der Konzern mit seinen zwölf Marken insgesamt auf der Elektro-Plattform bauen will, geht man nun von 15 Millionen aus – in einer ersten Welle. Die positiven Rückmeldungen der VW-Händler haben die Verantwortlichen in Wolfsburg überrascht.

Doch in der Gläsernen Manufaktur in Dresden, wo VW den Elektro-Golf produziert, wird klar, dass der „Marathonlauf“ in die Elektromobilität, von dem das Unternehmen spricht, gerade erst begonnen hat. 14 000 E-Golf wurden in Dresden im vergangenen Jahr produziert. Eine Randerscheinung im Volkswagen-Konzern, der 2018 weltweit 10,8 Millionen Millionen Fahrzeuge verkauft hat. Auch von Klimaneutralität kann noch keine Rede sein. 43,7 Tonnen Kohlendioxid (CO2) werden im Schnitt von einem VW mit Verbrennungsmotor über den Lebenszyklus heute emittiert, zwei Drittel davon allein durch den Kraftstoffverbrauch.

Batterieproduktion ist sehr energieintensiv

An dieser Stelle kann das Elektroauto seinen größten Vorteil ausspielen, umso mehr, wenn der Strom aus regenerativen Quellen stammt. Doch der Elektroantrieb bringt zunächst auch ökologische Nachteile mit sich. Weil die Herstellung der Batterie sehr energieintensiv ist, verschlechtert sich die CO2-Bilanz gegenüber einem Golf Diesel zunächst um 150 Prozent. Etwa die Hälfte seines „Kohlendioxid-Rucksacks“ bringe der elektrische I.D. allein aus der Lieferkette und der Produktion mit, sagte Michael Liebert, Leiter Nachhaltigkeit bei VW. Hier will der Autohersteller künftig deutlich strengere Maßstäbe an seine rund 40 000 direkten Lieferanten anlegen. Wer mit VW im Geschäft bleiben will, muss transparent sein und nachweisbar nachhaltig.

Doch um glaubwürdig bei den Kunden zu sein, will sich VW auch hier die Mühe machen, den Dingen ökologisch auf den Grund zu gehen. So wurden die Lieferanten der Batteriezellen, die VW meist aus Europa und insbesondere Polen mit hohem Kohlestromanteil bezieht, darauf verpflichtet, zertifizierten Ökostrom für die Produktion zu verwenden. Das könne die Emissionen in der Zellfertigung um 80 Prozent reduzieren, sagte Philippi. Hier zu vertraglichen Lösungen zu kommen, gestaltet sich schwierig. Daher erwägt Volkswagen, in die Zellproduktion einzusteigen. Für die bisherigen Lieferanten bedeutet die neue Konzernpolitik: „Wer nicht unseren Kriterien entspricht, den schließen wir künftig aus“, sagte Marco Philippi. „Wir wollen die Treiber sein.“ Um selbst transparenter zu sein, will VW – ähnlich wie seine Wettbewerber – Mitte des Jahres ein Nachhaltigkeits-Rating implementieren.

“Keine Geheimnistuerei mehr”

Viel Aufwand für einen Elektromobilitätsmarkt, der – gemessen am gesamten Automarkt – noch winzig ist. Bei kaum zwei Prozent liegt der Anteil von batteriebetriebenen Fahrzeugen aktuell an den Neuzulassungen. Doch im Konzern sind die Weichen für die Zukunft gestellt – mit allen Risiken, die diese Transformation mit sich bringt. „Ich hatte vor zwei Jahren Zweifel, ob eine so große Organisation wie der VW-Konzern den inneren Willen zur Wende aufbringt“, sagte Georg Kell, Sprecher des Nachhaltigkeitsbeirats der Volkswagen AG und ehemaliger Exekutivdirektor des United Nations Global Compact. Inzwischen sei er aber „beeindruckt“ von der Ernsthaftigkeit, mit der die VW-Spitze den „gigantischen Wandel“ vorantreibe. Damit steht VW freilich nicht alleine da. Auch BMW und Daimler setzen – im Fall von BMW schon deutlich länger – auf Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette der Elektromobilität. „Es wird ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn die Kunden wissen, wie mit den Ressourcen umgegangen wird“, sagte Kell. „Es darf keine Geheimnistuerei mehr geben.“

Honda schließt offenbar Fabrik mit 3500 Mitarbeitern

Previous article

Im Namen des Erfolgs

Next article

You may also like

Comments

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

More in Wirtschaft