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Türkei erlässt weiteren Haftbefehl gegen Can Dündar

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Türkische Strafverfolger halten den im deutschen Exil lebenden Journalisten Can Dündar für einen Organisator der Gezi-Proteste. Ein anderer Prozess läuft schon.

Der im Berliner Exil lebende türkische Journalist Can Dündar, Ex-Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung “Cumhuriyet”

Ein Istanbuler Gericht hat einen Haftbefehl gegen den in Deutschland lebenden Ex-Chef der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“, Cam Dündar, ausgestellt. Das meldete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwochabend. Die Maßnahme auf Anforderung des Istanbuler Generalstaatsanwalts stehe im Zusammenhang mit Ermittlungen zu den großen regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013. Die hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan damals brutal niederschlagen lassen.

Dem Bericht zufolge sieht der Staatsanwalt es als erwiesen an, dass Dündar Verbindungen zum prominenten Zivilgesellschaftsaktivisten Osman Kavala hatte, den die Regierung für einen Organisator der Gezi-Proteste hält. Der renommierte Geschäftsmann und Intellektuelle ist unter anderem Vorsitzender des Kulturinstituts Anadolu Kültür, das auch mit dem Goethe-Institut zusammenarbeitet. Trotz internationaler Proteste sitzt Kavala seit mehr als einem Jahr ohne Anklageschrift in türkischer Untersuchungshaft.

Wie Anadolu berichtete, soll Dündar mit Kavala zusammengearbeitet haben, um die Gezi-Proteste zu „organisieren“ und „auszuweiten“. „Konkrete Beweise“ zeigten, dass Dündar „Chaos gestiftet“ und „Terroristen ermutigt“ habe. Der Staatsanwalt verweise für Beweise auf Einträge in sozialen Medien und Telefongespräche mit Kavala.

Gegen Dündar läuft in der Türkei bereits ein Prozess wegen Terrorvorwürfen. Dabei geht es um „Cumhuriyet“-Artikel aus dem Jahr 2015, die Waffenlieferungen der türkischen Regierung an islamistische Rebellen in Syrien belegen sollen. Erdogan hatte bei seinem Besuch in Deutschland Ende September die Auslieferung von Dündar gefordert.


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Deutsche Stiftungen unter Druck

Im Rahmen der neuen Ermittlungen zu den Gezi-Protesten geraten seit rund drei Wochen vor allem Zivilgesellschaftsaktivisten ins Visier der Regierung. Am Mittwoch traf die Kampagne aber auch eine deutsche politische Stiftung. Das islamistische Blatt „Yeni Akit“ attackierte die der FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung und warf ihr vor, „dunkle Mächte“ zu unterstützen. Sie habe sich nun jener Organisationen angenommen, die bis vor kurzem noch vom „zionistischen Baron George Soros“ finanziert worden seien. Darunter seien Schwulen- und Lesben-Organisationen, „ethnisch diskriminierende“ Stiftungen oder als Liberale getarnte „Provokateure“.

Die türkische Regierung hält neben Anadolu Kültür auch die Stiftung des Philanthropen George Soros, Open Society Foundation, und von ihm unterstütze NGOs für Organisatoren der Gezi-Proteste. Open Society hatte wegen der Angriffe auf ihre Arbeit und den jüdischen Gründer vor kurzem angekündigt, die Arbeit in der Türkei einzustellen.

Der Leiter des Türkei-Büros der Naumann-Stiftung, Hans-Georg Fleck, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass die Stiftung mit den genannten Partnern zusammenarbeite – allerdings nicht erst seit der Schließung von Open Society, sondern seit vielen Jahren. Fleck sah den Angriff von „Yeni Akit“ gelassen. Bei der Zeitung handele es sich um ein extremistisches Blatt mit sehr kleiner Auflage. Außerdem sei die Türkei schon im Vorwahlkampf vor den Kommunalwahlen im März. „Da wird noch mehr Polarisierung kommen.“

Aus ähnlichen Gründen war allerdings schon vor zwei Wochen eine weitere deutsche politische Stiftung ins Visier geraten. Damals hatten zwei große regierungsnahe Zeitungen – „Daily Sabah“ und „Star“ – Osman Kavala als Marionette Europas beschrieben und Verbindungen zur SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erwähnt.

Deutsche politische Stiftungen in der Türkei hatten während der jahrelangen schlechten Beziehungen zwischen Ankara und Berlin vermehrt unter Verunglimpfungen, Misstrauen und Arbeitsbehinderungen zu leiden. Im Zuge einer Wiederannäherung der Türkei an Deutschland seit Ende 2017 hatte sich die Lage nach Einschätzung einiger Stiftungschefs zunächst entspannt. (dpa)

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