Politik

SPD und CDU sind nicht in der Krise – sie sind die Krise!

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Es mufft in den Volksparteien. Sie müssen begreifen: Personen sind wichtiger als Parteien, Projekte sind wichtiger als Programme. Ein Kommentar.

Die Vorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, und die ehemalige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles.

Nun werden Ämter kommissarisch besetzt, und hinter verschlossenen Türen wird über Tandem- oder Trio-Lösungen nachgedacht. Von Verantwortung ist die Rede, von Stabilität und Kontinuität. Vor allem aber setzt die SPD auf den Faktor Zeit. Die Genossen hoffen, dass der Spuk des Niedergangs ihrer Partei bald enden möge. Es kann ja nicht ewig bergab gehen, oder?

Doch es kann. Der Spuk endet nicht. Und bei der CDU sieht es kaum besser aus. Auch sie schrumpft stetig. Da rächt sich das lange Regieren in Koalitionen. Der konservative Markenkern ist den Christdemokraten jedenfalls längst abhandengekommen. Auf Herausforderungen durch Youtube-Influencer oder schulschwänzende Klimaaktivisten findet sie keine Antwort. Sich jetzt panisch als die eigentliche Klimaschutzpartei zu inszenieren, die Atom- und Kohleausstieg auf den Weg gebracht hat, wirkt peinlich.


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Es mufft in den traditionellen Parteien. Je eher ihre Repräsentanten das verstehen, desto besser für sie. Dabei dürfen sie keine Angst vor radikalen Schritten haben. Wer jetzt schon wieder nur „Weiter so“ und „gemeinsame Ziele umsetzen“ und „handlungsfähige Regierung“ und „Wählerauftrag“ und „Stabilität“ murmelt, könnte schon bald in den Verdacht geraten, sich lediglich aus Machterhaltungsgründen an die Macht zu klammern.

Drei Regeln hält die neue Zeit bereit

Einen guten Zeitpunkt für Neuwahlen gibt es nie. Die Probleme Europas und der Welt sind alt genug, um ein paar Monate länger ungelöst bleiben zu können. Deutschland hat Gewicht und muss gestalten, aber der Gestaltungsauftrag sollte eine demokratisch abgesicherte Basis haben.

Wenn SPD und CDU auch künftig noch eine innen- und außenpolitisch gestalterische Rolle spielen wollen, müssen sie lernen. Einige Entwicklungen lassen sich nicht mehr rückgängig machen – die nachlassende Bedeutung von Kirchen und Gewerkschaften etwa, die Individualisierung der Gesellschaft, die Fragmentierung der Öffentlichkeit, die dynamischen Prozesse, die in sozialen Medien ausgelöst werden. All das wurde schon oft im Zusammenhang mit dem Niedergang der Volksparteien analysiert. Was aber folgt daraus?

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Es ist genau anders herum! Das Volk ist selbst die Krise! Denn es lässt die Parteien allein! Nur noch 1,71% der Bevölkerung über 16 Jahre sind in Parteien organisiert! Das ist zu wenig!

…schreibt NutzerIn PaAllgZ

Drei Regeln hält die neue Zeit bereit, man könnte sie die drei Doppel-P-Regeln nennen. Erstens: Personen sind wichtiger als Parteien. Zweitens: Projekte sind wichtiger als Programme. Drittens: Profil ist wichtiger als Proporz.

Personen sind wichtiger als Parteien. Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte vor seinem jüngsten Wahlsieg die Österreichische Volkspartei (ÖVP) gewissermaßen usurpiert. Der Wahlkampf war allein auf ihn zugeschnitten.

Trump spricht direkt zum Volk, entweder live oder per Twitter

Mit derselben Methode wurde Donald Trump US-Präsident. Die republikanische Partei war ihm schnurzegal. Er sprach direkt zum Volk, entweder live oder per Twitter.

Emmanuel Macron gründete eine ganz neue europafreundliche Zentrumspartei, die „La République en Marche“, vorbei an Konservativen, Sozialisten und Le Pen. Das führte ihn zum Sieg. Bei den Europawahlen holten die Konservativen nur noch 8,5 Prozent der Stimmen.

In Italien wiederum spielen die einst mächtigen Christdemokraten, Sozialisten und Kommunisten schon lange keine Rolle mehr. Vor zehn Jahren wurde die Mitte-Links-Partei gegründet, die unter Matteo Renzi zunächst erfolgreich war. Im aktuellen Parlament sind an die zwanzig Parteien vertreten, im Aufwind befindet sich die Lega Nord unter Innenminister Matteo Salvini.

Kurs halten? Nein, bloß nicht!

Projekte sind wichtiger als Programme. Kein Mensch liest Parteiprogramme, und kaum ein Mensch trifft auf deren Grundlage seine Wahlentscheidung. Klare Projekte – Mauerbau zu Mexiko (Trump), die Kontrolle über das Land zurückgewinnen (Brexit), Europa reformieren (Macron), den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen begrenzen (Salvini) – sind einprägsam, dienen der Polarisierung und Profilierung. Sie befriedigen das Orientierungsbedürfnis von Wählern, stiften Identität.

Soll Juso-Chef Kevin Kühnert Parteivorsitzender werden?

Die Zeit der „catch-all-parties“, die ein entideologisiertes Wohlfühlangebot für alle bieten, ist vorbei. Angela Merkel ist deren wahrscheinlich letzte Vertreterin. Annegret Kramp-Karrenbauer wäre schlecht beraten, diesen Kurs fortzusetzen.

Profil ist wichtiger als Proporz. Wenn große Parteien erfolgreich sind – wie die Fidesz in Ungarn oder die PiS in Polen -, dann haben sie ein klares politisches Profil. Selbst die dänischen Sozialdemokraten, die eine programmatische Melange aus Linke, AfD und Grüne offerieren, treffen damit den Nerv vieler Wähler. Unter Mette Frederiksen, der Herausforderin, haben sie sich gewissermaßen neu erfunden.

Die diversen Proporz-Dogmen – Mann, Frau, jung, alt, evangelisch, katholisch, NRW-Vertreter relevanter als einer aus dem Saarland – verhindern oft, dass sich in den Parteien eine möglichst große Zahl von Politikern mit Charisma und Leidenschaft durchsetzt. Der Drang, ein Spiegelbild der Gesellschaft zu sein, sollte dem Willen, die Geschicke der Menschen prägen zu wollen, untergeordnet sein.

In einem Kommentar auf Zeit-Online stand in diesen Tagen, die SPD solle jetzt Juso-Chef Kevin Kühnert zum Parteivorsitzenden machen. Von dem stammt diese Analyse: „Aus Hasenfüßigkeit immer wieder in die große Koalition zu gehen, weil man glaubt, alles andere sei noch schlimmer: Das verzwergt die SPD auf Dauer.“ Zumindest er scheint die Zeichen der Zeit verstanden zu haben.

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