Politik

Die CSU hat mit Horst Seehofer abgeschlossen

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Der Partei scheint die Opferung eines Sündenbocks ein nötiges Ritual vor dem Neuanfang. Aber ist Markus Söder mehr als ein „Seehofer plus“? Ein Kommentar.

Horst Seehofer, scheidender CSU-Chef.

Ob sich noch mal jemand zurücksehnen wird nach den Jahren mit dem Horst? Vielleicht als den Letzten, der für die CSU noch mal eine absolute Mehrheit geholt hat? Im Moment erscheint das ein verwegener Gedanke. Die Partei hat mit Horst Seehofer abgeschlossen. Der Parteitag in München besiegelt nur noch die Abstrafung des Mannes, der zuletzt fast alles falsch gemacht hat. Er war zwar beileibe nicht der Einzige. Aber die CSU hat mit erfolglosen Vorsitzenden nie über Gerechtigkeit diskutiert. Die Opferung eines Sündenbocks erscheint ihr als nötiges Ritual vor einem Neuanfang.

Dabei lohnt es, sich die Gründe des Scheiterns genau anzuschauen. Seehofers Stärken waren die Bereitschaft, gesellschaftliche Strömungen aufzugreifen, und sein Gespür fürs Volk. Beides schlug später in Schwächen um: in wendigen Opportunismus und in den Fehler, das eigene Bauchgefühl absolut zu setzen. Das Volk, in dessen Namen er glaubte in den dreijährigen Krieg gegen die Kanzlerin zu ziehen, war nur noch ein Ausschnitt.

Das althergebrachte christsoziale Großkotzgehabe imponiert in Wahrheit schon lange kaum einem mehr. Gerade in Bayerns Hinterwäldern, die heute erfolgreiche Boomregionen sind, haben mit den Arbeitsplätzen und den Wirtschaftsmigranten aus dem deutschen Norden zugleich die Widersprüche und Irritationen der Moderne Einzug gehalten. Das erfordert Antworten, nicht Muskelspiele.

Söder steht vor einer großen Aufgabe

Die Erfolge der AfD wie der Grünen sind, so gegensätzlich beide erscheinen, Reaktionen darauf: Die einen glauben das weiß-blaue Paradies durch die Fremden bedroht, die anderen durch eine wörtliche und auch sinnbildliche Beton-Strategie, die die paradiesischen Züge des Landes von den landschaftlichen Idyllen bis zum Zusammenhalt gefährdet. Der Krawallsommer der Berliner Koalition war speziell im Fall der späteren Grünen-Wähler nur der letzte Schubs auf dem Weg einer längeren Annäherung.


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Man ahnt, wie groß die Aufgabe ist, vor der Markus Söder steht. Vom Typus her ist der Neue eigentlich „Seehofer plus“, insbesondere in Sachen blitzartige Wendigkeit. Längst nicht jeder mag schon glauben, dass aus dem vorlaut-verschlagenen Bengel, als der er im Kabarett regelmäßig parodiert wird, durch den Einzug in Staatskanzlei und Franz-Josef-Strauß-Haus ein kluger Staatspolitiker wird. Er tut viel für den Imagewechsel. Aber der braucht Zeit.

Immerhin hat er davon genug. Niemand erwartet schon von der Europawahl Wunder. Söder nutzt das für einen Test. Die CSU ist beim letzten Mal mit dem Versuch gescheitert, gleichzeitig für und gegen Brüssel zu sein. Diesmal probiert sie es klar pro-europäisch und anti-populistisch, wohl auch in der Hoffnung, dass Spitzenkandidat Manfred Weber die Euroskeptiker zuletzt doch noch zur Parteisolidarität bewegt.

Belohnen die Wähler das Experiment „gutbürgerliche Volkspartei von Maß und Mitte“, kann es so weitergehen. Das käme auch der großen Koalition in Berlin zugute. An deren friedlichem Gedeihen hat Söder ja wirklich Interesse. Sein erster echter Test wartet 2020 bei der Kommunalwahl in Bayern. Dann jedenfalls darf nicht die CSU in Berlin für Störgeräusche verantwortlich sein. Der Bundesinnenminister Seehofer tut also gut daran, seinen neuen Chef nicht zu enttäuschen. Denn politische Sündenböcke haben etwas ganz besonders an sich: Man kann sie wiederverwenden.

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